Dienstag, 4. April 2017

Meine Podcast Parade

Über Twitter bin ich auf den Aufruf von Theopop.de gestossen, in einer Blogparade 5 Lieblingspodcasts vorzustellen. Da bin ich gerne dabei!

Ich bin in meinem Alltag in der glücklichen Lage, dass ich häufig Gelegenheit habe bei der Arbeit etwas nebenher zu hören. Früher war das in der Regel Radio – als in Estland wohnender Schweizer über das Internet heimatliche Sprache zu hören, ist schon auch ganz nett.

Meine ersten Berührungen mit der Welt der Podcasts hatte ich vor etwa drei Jahren. Es waren damals in erster Linie Radiosendungen, die ich empfohlen erhielt und die ich mühsam über die Seite des entsprechenden Senders runterlud.

Mittlerweile habe ich etwas über 30 Podcasts abonniert. Bei manchen habe ich im Laufe der Monate Dutzende alter Folgen nachgehört, bei anderen stöbere ich nur dann und wann im Archiv und höre ansonsten die jeweils neueste Episode – und bei einem bin ich seit der ersten Stunde dabei. Denn der eingangs erwähnte Aufruf von Theopop war in Verbindung mit der Ankündigung eines neuen Programmes, das von Fabian Maysenhölder herausgegeben wird: Secta, der Podcast über Sekten und religiöse Sondergemeinschaften. Absolut hörenswert!

Ich bin sehr vielseitig interessiert, und das spiegelt sich auch bei der Liste meiner Podcasts wieder. Es fällt mir etwas schwer, die Podcasts in eine aufsteigende Reihenfolge zu bringen, denn die Themen sind teilweise sehr unterschiedlich und eine Wertung damit meines Erachtens nicht möglich. Der Form halber tue ich es aber dennoch:

5. Drunk ExPastors

Der Katholik Jason und der Agnostiker Christian waren einst gemeinsam Leiter in einer evangelikalen amerikanischen Gemeinde und von dort auch ausgesandt als Missionare nach Ungarn. Mittlerweile betrachten sie die Evangelikalen in den USA sehr distanziert. In ihren wöchentlichen Shows, die in der Regel zwischen 90 und 120 Minuten dauern, plaudern die beiden, untermalt vom Klackern der Eiswürfel im Whiskyglas, über Religion, Politik, Filme und das tägliche Leben. Die Frage, warum sie den Podcast machen, beantworteten sie mal mit der Aussage, sie konnten es einfach nicht glauben, dass es noch keinen Podcast mit betrunkenen Expastoren gibt. Sehr unterhaltsam, mitunter herausfordernd. Bislang 144 Episoden.

4. Lage der Nation

Politik gehört zu den Dingen, die mich seit jeher interessieren. Ein Podcast zu diesem Themenbereich darf bei mir nicht fehlen. Das beste, was ich dazu bisher fand, ist die Lage der Nation mit Philip Banse und Ulf Buermeyer. Im Wochentakt wird sowohl deutsche, europäische als auch (im Trumpianischen Zeitalter wenig verwunderlich) amerikanische Politik besprochen. Nicht selten erlebe ich da ein Aha- Erlebnis, wenn eine kurze Meldung aus der Tagesschau ausführlich kommentiert wird. Dauer einer einzelnen Folge ca. 90 Minuten, vereinzelt auch knapp unter 2 Stunden. Für mich ein Muss. Bislang 49 Episoden.

3. Wrint

Über Twitter drauf gestossen, ist Wrint (ausgeschrieben: Wer redet, ist nicht tot) der Podcast mit dem umfangreichsten Archiv auf meinem Catcher. Holger Klein hat eine ganze Reihe von Formaten unter diesem Titel an den Start gebracht: Den „Laberpodcast“ Realitätsabgleich mit Tobias Baier, die Wrintheit, in der zusammen mit der Autorin Alexandra Tobor Hörerfragen jeder Art beantwortet werden. In Wrint Wissenschaft nimmt er sich zusammen mit Florian Freistetter auf unterhaltsame Art wissenschaftlicher Themen an, wie der Name schon sagt, und Matthias von Hellfeld ist der Gesprächspartner für geschichtliche Themen. Dauer der Folgen sehr unterschiedlich, ab 20 Minuten bis über 2 Stunden ist alles dabei. Wöchentlich mehrere Neuerscheinungen. Immer wieder anders, immer wieder interessant und unterhaltsam. Bislang knapp 700 Episoden.

2. Methodisch inkorrekt

Auch eine Entdeckung über Twitter. Physik, Gott sei’s geklagt, ist für mich ein Buch mit mehr als nur sieben Siegeln – mein Sohn, dem ich bei den Hausaufgaben helfen musste, kann das bestätigen. Trotzdem habe ich mich nach vielen Empfehlungen dran gemacht, den Minkorrekt-Podcast zu hören – und war sofort begeistert. Dass da Physiker reden, vergisst man ganz schnell. Nicolas Wöhrl und Reinhard Remfort bringen es bei ihren „Vorlesungen“ zwar jeweils locker auf über 3 Stunden, doch das macht nichts. In der Regel beginnen die Episoden erst mal mit einem Gelaber, das an den Wrint-Realitätsabgleich erinnert und schon mal eine Stunde dauern kann, danach werden Theorien und Entdeckungen erklärt und unter die Lupe genommen. Dass ich von den behandelten Sachen kaum je viel verstehe, stört mich dabei nicht. Denn die Unterhaltung der beiden ist nie langweilig. Erscheint in der Regel zweiwöchentlich. Bislang 97 Episoden.

1. Hossa Talk

Ich kann behaupten, dass Hossa für mich zu den "Einstiegsdrogen" in die Welt der Podcasts gehörte. Was Methodisch inkorrekt im Bereich der Physik versucht, machen hier aus einer anderen, nämlich christlichen Richtung kommend, Jay und Gofi: Sie erklären mir die Welt. Oder sie geben sich zumindest allergrösste Mühe. Vielleicht wären sie ja schon längst fertig damit, wenn Jay dem Gofi nicht immer ins Wort fallen würde. Andererseits ist das auch gut so, denn wäre die Welt bereits ausführlich erklärt gäbe es den Podcast wohl nicht mehr.  Aber eine Welt ohne Hossa ist keine Welt, die ich meinen Kindern hinterlassen möchte. 😁
 Hossa Talk behandelt unterschiedliche Themen aus dem Bereich des Glaubens an Gott, ohne dabei Hemmungen zu haben an Tabus zu rütteln oder zu provozieren. Und nicht zuletzt durch unterschiedliche Gäste gibt es immer wieder spannende Gespräche. Sicherlich auch für Kirchendistanzierte interessant. Hossa Talk ist übrigens der erste Podcast, den ich auch meiner Frau schmackhaft machen konnte. Erscheint zweiwöchentlich. Übliche Dauer einer Folge ca. 75 Minuten, bislang 68 Episoden.


Natürlich gäbe es noch viele andere, die ich empfehlen könnte, aber davon vielleicht später mal. 

Montag, 27. März 2017

Wasserdiebstahl oder Regulierungswahn? Der Fall Gary Harrington

Gary Harrington aus Oregon wird immer wieder in Artikeln zitiert, die sich mit amerikanischen Gesetzen gegen „Regenwasser-Diebstahl“ befassen. Oft empört man sich in solchen Artikeln über die Dreistigkeit der Regierung, einem Bürger zu verbieten, in seinem Garten eine Regenwassertonne aufzustellen und den Garten mit aufgefangenem Regenwasser zu giessen.

Artikel dieser Art werden oft und gerne auf Facebook geteilt und meist findet man darunter Kommentare empörter Nutzer. Man ereifert sich dann darüber, dass die Regierungen von der Wasserlobby gesteuert sei oder dass der Staat sich auch in die kleinsten, privaten Dinge einmischt.

Ich bin der Sache nachgegangen.

Zunächst mal: Viele der Artikel lassen die Tatsache ausser Acht, dass der Fall Harrington aus dem Jahre 2012 datiert, nun also bereits 5 Jahre alt ist.

Entgegegn der immer wieder auftauchenden Darstellung, Gary Harrington habe nur ein paar Behälter aufgestellt, um Regenwasser zu sammeln, hat die Sache doch etwas grössere Dimensionen. Der Reihe nach:

2012 wurde Gary Harrington zu 30 Tagen Gefängnis und einer Geldbusse verurteilt, weil er auf seinem Land Regen- und Schmelzwasser gesammelt hat. Das Wasser wurde allerdings nicht in Behältern wie z.B. Regenwassertonnen gespeichert, sondern in grossen, künstlich angelegten Teichen mit einem Fassungsvermögen von 13 Millionen Gallonen (umgerechnet knapp 50 Millionen Liter). Die Menge des Wassers entspricht etwa der Füllung von 20 olympischen Schwimmbecken. Das der Bezug auf Regentonnen unter der Dachrinne bei diesen Dimensionen hinfällig wird, dürfte wohl klar sein. Und das es wohl in jedem Land der Welt bei baulichen Massnahmen dieser Grössenordnung Einschränkungen gibt, wird wohl auch kaum überraschen.

Kein Robin Hood

Im Falle Harringtons geht es also nicht um Regenwasser, das auf sein Dach fiel; es ging noch nicht einmal ausschliesslich um Wasser, das auf sein (beachtlich grosses) Grundstück niederging. Vielmehr bestand das Problem im Umleiten von fliessendem Wasser zum Zwecke des Befüllens künstlich angelegter Reservoirs. Der Staat Oregon hat über 10 Jahre immer wieder mit Gary Harrington zu tun gehabt. Schon im Jahr 2002 wurde ihm untersagt, einen Wasserlauf auf sein Land umzuleiten und dort aufzustauen. Auf einstweiliges Einlenken folgten neue Versuche, sein Vorhaben umzusetzen. Das endete schliesslich in obenerwähnter Verurteilung vor Gericht. Aber Gary Harrington ist kein „Robin Hood der Wasserrechte“, er versuchte sich vielmehr als Herkules, indem er Flüsse in neue Beete zu lenken versuchte.

Aber wie sieht es denn aus mit der Speicherung von Regenwasser im üblichen Rahmen? Gibt es da in Oregon Verbote?

Mit ein paar Klicks kann man im Internet erfahren, dass der Staat Oregon ausdrücklich die Installation von Vorrichtungen zum „Rainwater Harvesting“ („Regenwasser Sammeln“) begrüsst und sogar Hilfe dazu anbietet, etwa mit der Zurverfügungstellung von Bauanleitungen. Auch die Benutzung von Wasseraufbereitungsanlagen, mit denen das Wasser nicht nur für die Bewässerung im Garten sondern auch als Trinkwasser im Haus verwendet werden kann wird empfohlen.
Auch wenn viele Meldungen, die immer wieder auf Facebook und ähnlichen Kanälen die Runde machen etwas anderes behaupten, gibt es in den Vereinigten Staaten keinen Bundesstaat, der das sammeln von Regenwasser unter Strafe stellt – wobei angemerkt werden muss, dass Colorado alte Gesetze hat, die eine gewisse Einschränkung beinhalten. Der politische Wille ist aber auch dort vorhanden, diese Gesetze zu ändern.


Anmerkung: In vielen Artikeln in deutscher Sprache wird das Anwesen Harringtons mit 170 Hektar angegeben. Dabei handelt es sich um einen Umrechnuungsfehler. Das Anwesen entspricht, nach übereinstimmenden Angaben amerikanischer Quellen, um 170 acre, was ca. 69 ha entspricht.

Donnerstag, 16. Februar 2017

Was Valentin mit dem Finanzamt zu tun hat

Der Valentinstag ist ein wichtiger Tag in Estland – nicht nur wegen der Tradition an und für sich, die hier weit umfassender gelebt wird als anderswo auf der Welt. Denn hier denken nicht nur Verliebte an einander, sondern jeder im persönlichen Umfeld hat Teil an diesem „Tag der Freundschaft“. Denn Freund ist an diesem Tag jeder, der irgendwo im Umfeld anzutreffen ist. Fast wie bei Facebook. Man beschenkt Arbeitskollegen, Nachbarn oder einfach auch Leute auf der Strasse mit Kleinigkeiten und natürlich haben auch in Estland die Floristen Hochbetrieb. Nicht selten sind Politiker unterwegs, wie beispielsweise der junge Premierminister Jüri Ratas, der offenbar einen Tallinner Vorortszug bestiegen und an die Fahrgäste Süssigkeiten verteilt hat.

Und vielleicht hängt es ja mit dieser Tradition zusammen, dass der 14. Februar auch zum Stichtag für die Einreichung der Steuererklärung gemacht wurde. Denn nach diesem Datum sind die (Online-) Schalter der Steuerämter geöffnet, und die Deklarationen können ausgefüllt werden.

Ich kann mir vorstellen, dass manch einer hier verständnislos die Stirn runzelt. Man verbindet den Valentinstag gemeinhin mit etwas schönem, gar romantischem, die Steuererklärung aber mit dem genauen Gegenteil. Das Ausfüllen der Deklaration ist für viele eine Last, die man so lange wie möglich vor sich her schiebt.

Nicht so in Estland.

Wie die estnische Regierung heute twitterte, haben gestern bereits 240’000 Einwohner ihre Deklaration online abgegeben. Das sind 18% der Bevölkerung, die ihr Einkommen in 3 Minuten oder weniger deklariert haben.

Es ist wirklich simpel: Man loggt sich mit seiner Identitätskarte im Finanzamt ein. Dort findet man ein vorgefertigtes Formular, in das schon alle während des letzten Jahres bezogenen Löhne  und die jeweiligen Sozialabgaben sowohl die vom Lohn abgezogenen Einkommenssteuern eingetragen sind. Man kontrolliert kurz die Vollständigkeit der Angaben, gibt, falls nicht automatisch erstellt, die Daten der im eigenen Haushalt wohnenden Kinder ein, überprüft, ob alles ordnungsgemäss ausgefüllt ist und schliesst das Dokument, indem man es elektronisch unterschreibt. Fertig.

Es war für mich eine herbe Überraschung, als ich wegen eines Nachlasses in der Schweiz vor ein paar Jahren Post eines eidgenössischen Steueramtes erhalten habe. Erst da wurde mir so richtig bewusst, was für ein Segen das hiesige System ist.


Falls sich jemand fragt, warum die Esten die erste Gelegenheit wahrnehmen, um die Erklärung auszufüllen, warum es manche gibt, die den 14. Februar fast nicht erwarten können: Weil man oftmals Geld vom Staat zurückerhält. Das gilt beispielsweise für alle, die unterhaltspflichtige Kinder haben, aber etwa auch für viele, die während des Jahres ungleichmässig gearbeitet haben oder die einen Kredit für Wohneigentum abzahlen. Die monatlich direkt vom Lohn abgezogenen
Einkommenssteuern werden erst im Folgejahr, eben ab dem 14. Februar, mit möglichen Abzügen verrechnet. Und je schneller man die Deklaration eingereicht hat, desto schneller kann man mit der Rückzahlung des Finanzamtes rechnen.


Mittwoch, 15. Februar 2017

Masterplan?

Ich geb’s gerne zu: Ich war mir von Anfang an sicher, dass mit der Administration Trump ein Haufen Chaoten die Macht in den USA übernimmt. Ich war mir sicher, dass Trump zwar nicht arm war an kernigen Parolen, dass er aber keine Strategie hatte, wie diese umzusetzen seien.

In den ersten zwei Wochen seit der Amtseinführung bestimmte er die Schlagzeilen weltweit mit immer neuen Dekreten und Tweets. Wenn man auf die Reaktionen schaut, die er damit auslöst, so ist die Menschheit dreigeteilt in jene, die ihn für diesen Aktionismus feiern, jene, die mit wachsender Besorgnis gen Washington schauen und jene, die ob der scheinbaren Skurilität des Regierungsstils amüsiert den Kopf schütteln.  Wobei man natürlich, je nach Thema, auch mal aus einer Gruppe in die andere wechseln kann.

Mittlerweile stellt sich aber die Frage: Hat der Wahnsinn Methode? Steht hinter dem poltermdem Politneuling etwa doch ein Masterplan? Und wenn, wie könnte dieser aussehen?

Auffallend ist zunächst mal, dass Trump hart daran arbeitet, die Glaubwürdigkeit der Medien weiter zu beschädigen und die ganze schreibende Zunft zu verunsichern. Nun kann man natürlich immer und überall mit der Presse unzufrieden sein, sie als parteiisch empfinden oder ihnen mangelnde Sorgfalt vorwerfen. Trotzdem ist aber die Presse in einer Demokratie ein wichtiges Instrument. Sie hat die Aufgabe, den Mächtigen auf die Finger zu schauen, ihr Handeln und ihre Motivation zu hinterfragen.

Wenn Trump immer und immer wieder auf die etablierten Medien schimpft, ihnen die Verbreitung von Fake News unterstellt oder ihnen einfach nur abwertende Adjektive voranstellt, bleibt zumindest bei seinen Anhängern etwas hängen. Leider haben wir schon jetzt das Phänomen, dass sich Menschen nur noch innerhalb der sozialen Medien informieren, und dort bewegen sie sich oft in Filterblasen. Sie lesen die Meinungen von Freunden, die ihrem eigenen Denken nahe stehen.

Wenn Menschen auf diese Weise kritische Stimmen mehr und mehr ausblenden, werden sie leichter manipulierbar. Versagt besispielsweise die Wirtschaftspolitik kann man das innerhalb der Filterblase ganz leicht dem politischen Gegner anlasten, der nicht mitziehen will.

Das zweite auffallende in den ersten Wochen der Administration Trump war das Austesten der Grenzen in der Gewaltenteilung. Als das Einreiseverbot für Bürger 7 meist muslimischer Staaten die Grenzkontrolle an den Flughäfen in Chaos stürzte, begann sofort ein juristisches Tauziehen. Die Justizministerin Yates, die allerdings ohnehin nur interimistisch das Amt inne hatte, wurde gefeuert, weil sie daran zweifelte, ob das entsprechende Dekret verfassungsmässig sei.

Richtige Wellen schlug dann aber die erste grosse Niederlage für Trump vor einem Bundesgericht in Seattle. Der Einreisebann wurde ausgesetzt. Trump griff den Bundesrichter persönlich an, verunglimpfte ihn als „so genannten Richter“ („so called judge“) und die Entscheidung als lächerlich. Natürlich ging der Präsident sofort in Berufung, wo er letztendlich erneut scheiterte.

Man könnte das Ganze einfach nur als Posse betrachten. Aber vielleicht ist es auch mehr. Vielleicht ist es ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz, der dritten Kraft innerhalb der sich gegenseitig regulierenden Organe in einer demokratischen Gesellschaft. Dass der „rebellische“ Bundesrichter von Trump per Twitter beschuldigt wird, am nächsten Anschlag in den USA Schuld zu haben, deutet in die Richtung.

Richtig beunruhigend wird dann aber, was fast beiläufig passierte: Dass der höchst umstrittene Rechtsausleger Stephen „Steve“ Bannon in den nationalen Sicherheitsrat berufen wurde. Er ist einer der wichtigsten Berater des amtierenden Präsidenten, und nicht wenige Stimmen bezeichnen ihn als den eigentlichen Vordenker in der Administration. Viele der Dekrete, die in den ersten Tagen nach der Amtseinführung Trumps so viel Wirbel verursachten wurden wohl von Bannon unterschriftsfertig ins weisse Haus mitgebracht.

Wenn Trump keinen Masterplan hat, Bannon hat ihn bestimmt.


Montag, 30. Januar 2017

Lady Liberty

Hugo Loetscher schreibt in seinem Buch „Der Waschküchenschlüssel – oder was, wenn Gott Schweizer wäre“ (1983, Diogenes Verlag) in der letzten Glosse über den Besuch bei der Freiheitsstatue im Hafen von New York. Sehr pointiert, absolut lesenswert! Ich hoffe, das Buch ist noch irgendwo erhältlich…

Hugo Loetscher macht sich da so seine Gedanken über die Statue, die er einfach nur „die Freiheit“ nennt. So zum Beispiel den Gedanken, dass die Freiheit innen hohl ist. Sie ist allerdings nicht leer, denn man findet da einen hohen Aufbau mit Verstrebungen, die der Sicherheit dienen und für Wartungsarbeiten genutzt werden können. Und natürlich ist da auch die Wendeltreppe, über die man ganz hoch in die Freiheit steigen kann.

Man fährt zu der Freiheit vom Battery Park aus. Nur die Hinfahrt kostet, zurück kommen alle, denn es gibt keine Bleibe auf der Insel der Freiheit.

Am schönsten und aktuellsten finde ich allerdings die Betrachtung, dass die Freiheit eine Fackel trägt. Hugo Loetscher schrieb vor über 30 Jahren, dass es eigentlich nicht auszumachen sei, ob sie anderen den Weg weisen will oder selber einen Weg sucht und nur deswegen noch da steht, weil sie bislang noch keinen gefunden habe…


Der Sockel, auf dem Lady Liberty steht, ist so knapp bemessen, dass sie darauf nur stehen kann. Allerdings weiss man von ihrer Fussstellung her nicht so recht, ob sie wirklich steht oder eigentlich schreiten möchte. Und vielleicht würde sie sich ja gerne auf den Weg machen…

Montag, 23. Januar 2017

Alternative Fakten - eine kurze Betrachtung

Das Wort „Euphemismus“ bedeutet etwas beschönigen oder schönreden. Es stellt also einen negativen oder tabuisierten Sachverhalt verschleiernd oder auch gewollt missverständlich dar.

Euphemismen begegnen uns seit jeher in Texten aller Art. Schon in der Bibel finden wir sie, beispielsweise in der Weihnachtsgeschichte: „Josef nahm seine Frau zu sich, und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn geboren hatte, und er nannte seinen Namen Jesus.(Matthäus 1, 24+25) 

Armer Josef, könnte man denken. Er muss geistig verwirrt gewesen sein. Demenz?! Er erkannte seine Frau nicht mehr. Zum Glück scheint sich sein Zustand verbessert zu haben nach der Niederkunft (auch so ein schönes Wort) seiner Frau. Postnatale Wiederherstellung des Gedächtnisses beim Mann.

Aber natürlich wissen wir, dass das Wort „erkennen“ in diesem Text eben nichts mit dem zu tun hat, was es gemeinhin bedeutet. Hier ist das Wort euphemistisch gebraucht, um nicht schreiben zu müssen, er hatte keinen Sex mit seiner Frau.

Wenn wir von einem Fussballspieler lesen, er habe ein rustikales Zweikampfverhalten, so wissen wir, dass er halt auch mal zu einem Foul greift, um den Gegner vom Ball zu trennen.

Spricht der Arzt von Stuhlgang, weiss wohl jeder, was gemeint ist. Ist doch auch netter, als wenn einen so ein Weisskittel fragt, ob man heute schon gesch… habe. Oder er uns mit dem Kindereuphemismus „a-a“ kommt.

Manchmal haben sich Euphemismen so ausgebreitet, dass sie niemandem mehr auffallen. Dass es wohl in jeder Regierung einen Verteidigungsminister gibt, versteht sich von selbst. Dass das gleiche Amt in nicht so ferner Vergangenheit Kriegsminister hiess, haben wir meist schon vergessen.

Damit verbunden wurde der Kriegsfall zum Verteidigungsfall, eine Offensive wird auch gerne Militärschlag genannt. Dass sich hinter einer ethnischen Säuberung ein Völkermord verbergen könnte, wird ganz schnell ausgeblendet. Und auch Kernwaffen klingen doch etwas harmloser als Atombomben. Und weil auch das Wort Kernwaffen schon zu viel von seinem verhüllenden Charakter verloren hat, taucht immer häufiger der neue Euphemismus auf: „Modernste Waffen“.

Apropos Krieg: Als Oliver Stone 1986 den Film „Platoon“ ins Kino brachte, hat er den Film als „Antikriegsfilm“ bezeichnet. Der Begriff traf den Nerv der Zeit, von einem Tag auf den anderen wurde die Genrebezeichnung „Antikriegsfilm“ in vielen Programmzeitschriften eingeführt, ganz gleich, ob „Rambo“, „Apocalypse now“ oder „Der längste Tag“ gezeigt wurde.

Dass einen der Chef von der Arbeit freisetzt sollte kein Anlass zum Jubel sein, denn dahinter verbirgt sich eine Entlassung. Vielleicht wird diese Entlassung mit einem Minuswachstum begründet. Man könnte es natürlich auch einfach Rezession nennen.

Natürlich werden auch Eigenschaften von Menschen in beschönigende Worte gepackt. Hat einer eine Rubensfigur, so ist er dick, gilt jemand als bildungsfern, hält man ihn für dumm. Und weil man halt manchmal nicht von Armen sprechen will, bezeichnet man die entsprechende Gruppe einfach als wirtschaftlich schwach.

Ein Euphemismus wird manchmal über Nacht geboren. So beglückte die PR-Beraterin von DJ Trump,  Kellyanne Conway, uns am Wochenende mit einer besonderen Wortschöpfung: „alternative Fakten“. 

Endlich sind Fakten nicht mehr an Wahrheiten gebunden! 

Früher musste man für die gleiche Aussage das unschöne und deshalb zu vermeidende Wort „Lügen“ gebrauchen.

Da ich mit einer Geschichte aus der Bibel begonnen habe liegt die Versuchung nahe, mal zu schauen, was aus ein paar ausgewählten Versen passieren könnte, wenn der neu entstandene Euphemismus in einigen Jahren in eine revidierte Bibelübersetzung Einzug hält:

Psalm 4;3: Wie lange werdet ihr Eitles lieben und alternative Fakten suchen?
Eph. 4;25: Deshalb legt die alternativen Fakten ab und redet Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten.


Sonntag, 22. Januar 2017

2 Tage danach, Gedanken zum 45.


Und das wollen Demokraten sein?“ habe ich als Titel eines Facebook Posts gelesen, in dem es darum ging, dass mehrere Dutzend Abgeordnete der demokratischen Partei planten, der Inauguration des 45. Präsidenten der USA fernzubleiben.

Schlechte Wahlverlierer!“ war ein Kommentar, den ich gelesen habe auf die Massenproteste in Washington gegen Trump, und der Donald selber twitterte die Frage: „Why didn’t these people vote?

Nun, Mr. President, diese Leute haben ja vielleicht tatsächlich gewählt. Schliesslich erhielt Hillary Clinton nach dem offiziellen Endergebnis der Wahl vom 9. November 2016 genau 2’865’075 Stimmen mehr als Sie.

Aber nein, ich will hier nicht das amerikanische Wahlmännersystem diskutieren.

Die Frage, die mich viel mehr beschäftigt, ist diese: Warum sollte es ein Problem in einer Demokratie sein, wenn gegen eine gewählte Person demonstriert wird? Warum sollte ein gewählter Abgeordneter nicht auch das Recht haben, meinetwegen aus Protest einer Amtseinführung eines anderen gewählten Mannes fernzubleiben? Zumal es hier um den Protest gegen einen Mann geht, der bislang so ziemlich jede Regel des gesellschaftlichen Anstandes oder der politischen Gepflogenheiten provokant in Frage gestellt hat.

Dass es dem Narziss Trump Pein bereitete, im Frühstücksfernsehen am Tag nach seiner Vereidigung Bilder zu sehen, in der die National Mall relativ spärlich besucht war, obwohl er von den Stufen des 
Capitols aus selber sah, dass da etwa 1 Million oder eineinhalb standen, ist verständlich, aber auch erschreckend, weil es zeigt, wie verzerrt die Wahrnehmung des neuen mächtigsten Mannes ist. Dass ihm der Vergleich mit den Menschenmassen bei der Amtseinführung Obamas vor 8 Jahren nicht gefällt, versteht sich von selbst. Und der Massenprotest am Samstag, der weit mehr Menschen gegen seine Person auf die Strasse brachte als bei der Inauguration zu seiner Unterstützung, muss ihn tief getroffen haben.

Manchmal ertappe ich mich in „was wäre wenn“- Gedankenspielen. Klar, müssig sich damit zu befassen, aber nehmen wir mal an, Clinton hätte in Florida 113’000 und in Michigan 11’000 Stimmen  mehr geholt und damit die entsprechenden Wahlmänner erhalten und die Wahl gewonnen. Wie wäre es dann weiter gegangen? Hätte Trump Frau Clinton am Morgen danach angerufen und zum Sieg gratuliert, wie sie es getan hat? Oder hätte er, was er ja im Wahlkampf ganz schelmisch offen liess, das Wahlergebnis angefochten, alle Hebel in Bewegung gesetzt und seine Anhänger mobilisiert? Man weiss es nicht.

Dass Trump an der Umsetzung seiner Wahlversprechen scheitern wird, scheint mir weiterhin sicher zu sein. Clinton wollte er einkerkern – davon ist wohl keine Rede mehr. Und dann wollte er den Sumpf in Washington austrocknen. Danach sieht es bei einem Blick auf sein Personal bei weitem nicht aus. Noch nie in der an wirtschaftlichen Verflechtungen nicht armen Geschichte der US Politik gab es wohl so offensichtliche Vetternwirtschaft wie beim gerade angetretenen Führungsstab der neuen Administration.

Obamacare zurücknehmen? Klar, da gibt es einiges zu verbessern. Nicht zuletzt deswegen, weil die Republikaner 8 Jahre lang so gut wie alles gemacht haben, um Obama zu hindern. Man kann da also nachbessern. Doch ein flüchtiger Blick auf das Kabinett Trumps lässt erahnen, dass die Krankenversicherung wohl einfach dahingehend verändert wird, dass die Finanzindustrie mehr und einfacher dran verdienen kann.

Die Mauer nach Mexiko? Vielleicht kommt sie ja doch noch. Mittlerweile traue ich Trump ja alles zu. Aber eigentlich bin ich mir auch da sicher, dass dieses Bauwerk eine weitere Fantasterei ist. Und wenn nicht? Na, dann wird „America“ vielleicht wieder „great“ werden, aber beengt durch eine Mauer.