„Und das wollen Demokraten sein?“ habe ich als Titel eines Facebook
Posts gelesen, in dem es darum ging, dass mehrere Dutzend Abgeordnete der
demokratischen Partei planten, der Inauguration des 45. Präsidenten der USA
fernzubleiben.
„Schlechte Wahlverlierer!“ war ein Kommentar, den ich
gelesen habe auf die Massenproteste in Washington gegen Trump, und der Donald selber
twitterte die Frage: „Why didn’t these people vote?“
Nun, Mr. President, diese Leute haben ja vielleicht
tatsächlich gewählt. Schliesslich erhielt Hillary Clinton nach dem offiziellen
Endergebnis der Wahl vom 9. November 2016 genau 2’865’075 Stimmen mehr als Sie.
Aber nein, ich will hier nicht das amerikanische
Wahlmännersystem diskutieren.
Die Frage, die mich viel mehr beschäftigt, ist diese: Warum
sollte es ein Problem in einer Demokratie sein, wenn gegen eine gewählte Person
demonstriert wird? Warum sollte ein gewählter Abgeordneter nicht auch das Recht
haben, meinetwegen aus Protest einer Amtseinführung eines anderen gewählten
Mannes fernzubleiben? Zumal es hier um den Protest gegen einen Mann geht, der
bislang so ziemlich jede Regel des gesellschaftlichen Anstandes oder der
politischen Gepflogenheiten provokant in Frage gestellt hat.
Dass es dem Narziss Trump Pein bereitete, im Frühstücksfernsehen am Tag nach seiner Vereidigung Bilder zu sehen, in der die National Mall relativ spärlich besucht war, obwohl er von den Stufen des
Capitols aus selber sah, dass da etwa 1 Million oder eineinhalb standen, ist verständlich, aber auch erschreckend, weil es zeigt, wie verzerrt die Wahrnehmung des neuen mächtigsten Mannes ist. Dass ihm der Vergleich mit den Menschenmassen bei der Amtseinführung Obamas vor 8 Jahren nicht gefällt, versteht sich von selbst. Und der Massenprotest am Samstag, der weit mehr Menschen gegen seine Person auf die Strasse brachte als bei der Inauguration zu seiner Unterstützung, muss ihn tief getroffen haben.
Manchmal ertappe ich mich in „was wäre wenn“-
Gedankenspielen. Klar, müssig sich damit zu befassen, aber nehmen wir mal an,
Clinton hätte in Florida 113’000 und in Michigan 11’000 Stimmen mehr geholt und damit die entsprechenden
Wahlmänner erhalten und die Wahl gewonnen. Wie wäre es dann weiter gegangen?
Hätte Trump Frau Clinton am Morgen danach angerufen und zum Sieg gratuliert,
wie sie es getan hat? Oder hätte er, was er ja im Wahlkampf ganz schelmisch
offen liess, das Wahlergebnis angefochten, alle Hebel in Bewegung gesetzt und
seine Anhänger mobilisiert? Man weiss es nicht.
Dass Trump an der Umsetzung seiner Wahlversprechen scheitern
wird, scheint mir weiterhin sicher zu sein. Clinton wollte er einkerkern –
davon ist wohl keine Rede mehr. Und dann wollte er den Sumpf in Washington
austrocknen. Danach sieht es bei einem Blick auf sein Personal bei weitem nicht
aus. Noch nie in der an wirtschaftlichen Verflechtungen nicht armen Geschichte
der US Politik gab es wohl so offensichtliche Vetternwirtschaft wie beim gerade
angetretenen Führungsstab der neuen Administration.
Obamacare zurücknehmen? Klar, da gibt es einiges zu
verbessern. Nicht zuletzt deswegen, weil die Republikaner 8 Jahre lang so gut
wie alles gemacht haben, um Obama zu hindern. Man kann da also nachbessern.
Doch ein flüchtiger Blick auf das Kabinett Trumps lässt erahnen, dass die
Krankenversicherung wohl einfach dahingehend verändert wird, dass die
Finanzindustrie mehr und einfacher dran verdienen kann.
Die Mauer nach Mexiko? Vielleicht kommt sie ja doch noch.
Mittlerweile traue ich Trump ja alles zu. Aber eigentlich bin ich mir auch da
sicher, dass dieses Bauwerk eine weitere Fantasterei ist. Und wenn nicht? Na,
dann wird „America“ vielleicht wieder „great“ werden, aber beengt durch eine
Mauer.
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