Donnerstag, 16. Februar 2017

Was Valentin mit dem Finanzamt zu tun hat

Der Valentinstag ist ein wichtiger Tag in Estland – nicht nur wegen der Tradition an und für sich, die hier weit umfassender gelebt wird als anderswo auf der Welt. Denn hier denken nicht nur Verliebte an einander, sondern jeder im persönlichen Umfeld hat Teil an diesem „Tag der Freundschaft“. Denn Freund ist an diesem Tag jeder, der irgendwo im Umfeld anzutreffen ist. Fast wie bei Facebook. Man beschenkt Arbeitskollegen, Nachbarn oder einfach auch Leute auf der Strasse mit Kleinigkeiten und natürlich haben auch in Estland die Floristen Hochbetrieb. Nicht selten sind Politiker unterwegs, wie beispielsweise der junge Premierminister Jüri Ratas, der offenbar einen Tallinner Vorortszug bestiegen und an die Fahrgäste Süssigkeiten verteilt hat.

Und vielleicht hängt es ja mit dieser Tradition zusammen, dass der 14. Februar auch zum Stichtag für die Einreichung der Steuererklärung gemacht wurde. Denn nach diesem Datum sind die (Online-) Schalter der Steuerämter geöffnet, und die Deklarationen können ausgefüllt werden.

Ich kann mir vorstellen, dass manch einer hier verständnislos die Stirn runzelt. Man verbindet den Valentinstag gemeinhin mit etwas schönem, gar romantischem, die Steuererklärung aber mit dem genauen Gegenteil. Das Ausfüllen der Deklaration ist für viele eine Last, die man so lange wie möglich vor sich her schiebt.

Nicht so in Estland.

Wie die estnische Regierung heute twitterte, haben gestern bereits 240’000 Einwohner ihre Deklaration online abgegeben. Das sind 18% der Bevölkerung, die ihr Einkommen in 3 Minuten oder weniger deklariert haben.

Es ist wirklich simpel: Man loggt sich mit seiner Identitätskarte im Finanzamt ein. Dort findet man ein vorgefertigtes Formular, in das schon alle während des letzten Jahres bezogenen Löhne  und die jeweiligen Sozialabgaben sowohl die vom Lohn abgezogenen Einkommenssteuern eingetragen sind. Man kontrolliert kurz die Vollständigkeit der Angaben, gibt, falls nicht automatisch erstellt, die Daten der im eigenen Haushalt wohnenden Kinder ein, überprüft, ob alles ordnungsgemäss ausgefüllt ist und schliesst das Dokument, indem man es elektronisch unterschreibt. Fertig.

Es war für mich eine herbe Überraschung, als ich wegen eines Nachlasses in der Schweiz vor ein paar Jahren Post eines eidgenössischen Steueramtes erhalten habe. Erst da wurde mir so richtig bewusst, was für ein Segen das hiesige System ist.


Falls sich jemand fragt, warum die Esten die erste Gelegenheit wahrnehmen, um die Erklärung auszufüllen, warum es manche gibt, die den 14. Februar fast nicht erwarten können: Weil man oftmals Geld vom Staat zurückerhält. Das gilt beispielsweise für alle, die unterhaltspflichtige Kinder haben, aber etwa auch für viele, die während des Jahres ungleichmässig gearbeitet haben oder die einen Kredit für Wohneigentum abzahlen. Die monatlich direkt vom Lohn abgezogenen
Einkommenssteuern werden erst im Folgejahr, eben ab dem 14. Februar, mit möglichen Abzügen verrechnet. Und je schneller man die Deklaration eingereicht hat, desto schneller kann man mit der Rückzahlung des Finanzamtes rechnen.


Mittwoch, 15. Februar 2017

Masterplan?

Ich geb’s gerne zu: Ich war mir von Anfang an sicher, dass mit der Administration Trump ein Haufen Chaoten die Macht in den USA übernimmt. Ich war mir sicher, dass Trump zwar nicht arm war an kernigen Parolen, dass er aber keine Strategie hatte, wie diese umzusetzen seien.

In den ersten zwei Wochen seit der Amtseinführung bestimmte er die Schlagzeilen weltweit mit immer neuen Dekreten und Tweets. Wenn man auf die Reaktionen schaut, die er damit auslöst, so ist die Menschheit dreigeteilt in jene, die ihn für diesen Aktionismus feiern, jene, die mit wachsender Besorgnis gen Washington schauen und jene, die ob der scheinbaren Skurilität des Regierungsstils amüsiert den Kopf schütteln.  Wobei man natürlich, je nach Thema, auch mal aus einer Gruppe in die andere wechseln kann.

Mittlerweile stellt sich aber die Frage: Hat der Wahnsinn Methode? Steht hinter dem poltermdem Politneuling etwa doch ein Masterplan? Und wenn, wie könnte dieser aussehen?

Auffallend ist zunächst mal, dass Trump hart daran arbeitet, die Glaubwürdigkeit der Medien weiter zu beschädigen und die ganze schreibende Zunft zu verunsichern. Nun kann man natürlich immer und überall mit der Presse unzufrieden sein, sie als parteiisch empfinden oder ihnen mangelnde Sorgfalt vorwerfen. Trotzdem ist aber die Presse in einer Demokratie ein wichtiges Instrument. Sie hat die Aufgabe, den Mächtigen auf die Finger zu schauen, ihr Handeln und ihre Motivation zu hinterfragen.

Wenn Trump immer und immer wieder auf die etablierten Medien schimpft, ihnen die Verbreitung von Fake News unterstellt oder ihnen einfach nur abwertende Adjektive voranstellt, bleibt zumindest bei seinen Anhängern etwas hängen. Leider haben wir schon jetzt das Phänomen, dass sich Menschen nur noch innerhalb der sozialen Medien informieren, und dort bewegen sie sich oft in Filterblasen. Sie lesen die Meinungen von Freunden, die ihrem eigenen Denken nahe stehen.

Wenn Menschen auf diese Weise kritische Stimmen mehr und mehr ausblenden, werden sie leichter manipulierbar. Versagt besispielsweise die Wirtschaftspolitik kann man das innerhalb der Filterblase ganz leicht dem politischen Gegner anlasten, der nicht mitziehen will.

Das zweite auffallende in den ersten Wochen der Administration Trump war das Austesten der Grenzen in der Gewaltenteilung. Als das Einreiseverbot für Bürger 7 meist muslimischer Staaten die Grenzkontrolle an den Flughäfen in Chaos stürzte, begann sofort ein juristisches Tauziehen. Die Justizministerin Yates, die allerdings ohnehin nur interimistisch das Amt inne hatte, wurde gefeuert, weil sie daran zweifelte, ob das entsprechende Dekret verfassungsmässig sei.

Richtige Wellen schlug dann aber die erste grosse Niederlage für Trump vor einem Bundesgericht in Seattle. Der Einreisebann wurde ausgesetzt. Trump griff den Bundesrichter persönlich an, verunglimpfte ihn als „so genannten Richter“ („so called judge“) und die Entscheidung als lächerlich. Natürlich ging der Präsident sofort in Berufung, wo er letztendlich erneut scheiterte.

Man könnte das Ganze einfach nur als Posse betrachten. Aber vielleicht ist es auch mehr. Vielleicht ist es ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz, der dritten Kraft innerhalb der sich gegenseitig regulierenden Organe in einer demokratischen Gesellschaft. Dass der „rebellische“ Bundesrichter von Trump per Twitter beschuldigt wird, am nächsten Anschlag in den USA Schuld zu haben, deutet in die Richtung.

Richtig beunruhigend wird dann aber, was fast beiläufig passierte: Dass der höchst umstrittene Rechtsausleger Stephen „Steve“ Bannon in den nationalen Sicherheitsrat berufen wurde. Er ist einer der wichtigsten Berater des amtierenden Präsidenten, und nicht wenige Stimmen bezeichnen ihn als den eigentlichen Vordenker in der Administration. Viele der Dekrete, die in den ersten Tagen nach der Amtseinführung Trumps so viel Wirbel verursachten wurden wohl von Bannon unterschriftsfertig ins weisse Haus mitgebracht.

Wenn Trump keinen Masterplan hat, Bannon hat ihn bestimmt.