Seit ich bei Facebook bin habe ich nun endlich auch vermehrt
Anschluss an die Schreckensmeldungen des Alltags. Die Kampagnen aus dem
amerikanischen Wahlkampf verebben langsam, wobei die Nachlaufzeit der Meldungen
in den sozialen Medien schon bemerkenswert ist. Aber von Aufatmen kann keine
Rede sein.
Um mal zwei brandaktuelle, schockierende Nachrichten
aufzugreifen, die mich diese Woche erreicht haben: Da gibt es zum ersten die
Geschichte eines Tierquälers, der einen Hund erschossen hat und
anschliessend mit dem toten Tier posiert, zum zweiten die
eindringliche Warnung, dass Muslime CDs mit Korantexten und islamischer Musik
in Briefkästen verteilen, wobei die Sendung vergiftet sein soll.
Manchmal frage ich mich, warum sich Facebook mit c schreibt.
Schockierende Berichte, in denen Tiere vorkommen, verbreiten
sich besonders gut. Die Empörung ist vorprogrammiert, die Weiterverteilung
sicher. Wer prüft da schon, was es mit der Sache wirklich auf sich hat?
Zugegeben, das Beispiel mit dem getöteten Hund lässt sich
nicht so schnell und unzweifelhaft aufklären wie manche andere Geschichte. Es
gibt im angehängten Text keine Quelle, der einzige dort auffindbare Link führt
auf eine 404-error Seite. Gibt man aber die wenigen in der Nachricht gebotenen
Details (Ort, wo der Vorfall stattgefunden haben soll, das Stichwort „getöteter
Hund“ oder wahlweise auch „killed dog“ in eine Suchmaschine ein, stösst man auf weitere Infos.
Weitere Infos? Nun ja, eigentlich nicht. Man stösst auf 2
weitere Seiten, diesmal in englischer Sprache, die die gleiche Geschichte
erzählen. Das Erscheinungsbild der Seiten verrät schon mal, dass man es eher
mit einem Boulevardblatt zu tun hat, und ein paar Klicks später bestätigt sich
dieser erste Eindruck. Auch hier keine Angaben von Quellen. Aber, interessant:
Der Artikel erschien dort 11 Monate früher.
Noch mal der Check auf der deutschsprachigen Seite, die in
meinem Facebook Feed aufgetaucht ist. Nein, hier ist nicht ersichtlich, dass es
sich um eine alte Geschichte handeln soll. Stattdessen erhält man die
Möglichkeit, eine Petition zu unterschreiben.
Solange ich nicht weiss, ob eine Geschichte stimmt,
unterzeichne ich schon mal gar nichts!
Die zweite Geschichte, die mit den vergifteten CDs, ist ein
Paradebeispiel für Panikmache. Im Moment sind es, tragischerweise, verstärkt
„die Fremden“, denen alle Schandtaten zugetraut werden.
Erschreckend ist eigentlich, wie leichtfertig solche Inhalte
geteilt werden. Man traut den Ausländern, den Flüchtlingen oder den
Andersgläubigen einfach alles zu. Und eine Aufklärung wäre so simpel: Einfach
mal 2, 3 Stichworte bei Google eingeben, also im vorliegenden Fall „vergiftete
CD“, und man stösst auf dutzenderweise Seiten, die diese vermeintliche
Nachricht als Lüge entlarven.
Viele Menschen trauen den grossen Medien nicht mehr und
verlassen sich lieber auf das, was ihnen von Freunden erzählt wird. Nun ist das
ja nichts Neues. Wer kennt nicht die Geschichte von der Spinne in der Yuccapalme,
die man von einem Freund gehört hat, der denjenigen kennt, bei dem ein
Sonderkommando der Schädlingsbekämpfung eingefallen ist…
Man nennt solche Geschichten moderne Sagen oder auch Hoax. Ja,
ich weiss, ein Hoax unterscheidet sich von einer modernen Sage, aber ich ziehe
die Begriffe hier der Einfachheit halber zusammen.
Diese Geschichten geistern wohl schon so lange rum, seit
Menschen sich Geschichten erzählen, sie sind also keine Erfindung des
Internetzeitalters. Was sich aber verändert hat, ist die Geschwindigkeit, mit
der sich diese Sagen verbreiten können – und damit im Extremfall auch die
Geschwindigkeit, mit der Lügen ganze Volksgruppen diffamieren, ausgrenzen und
zum Feindbild machen können. Dabei bringt das Internet zusammen mit dem Problem
auch die Lösung: Quellen zu recherchieren ist oft sehr einfach,
Lügen lassen
sich schnell entlarven und stoppen – wenn man es denn will.
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