Dienstag, 22. November 2016

"Die menschliche Dummheit ist international"

Ja, ich weiss, dass man mit Nazivergleichen sorgfältig sein muss. Und ich bin ja auch kein Freund davon. Nicht zuletzt deswegen, weil sie meist ziemlich krass daneben zielen. Da denke ich zum Beispiel an jene Amerikaner, die noch vor Kurzem Hillary Clinton als Reinkarnation Hitlers bezeichnet haben. Die Unsinnigkeit des Vergleiches stellte sich spätestens dann raus, als man realisierte, für wen die Ultrarechten ihre Stimme gegeben haben und wie beispielsweise der KKK den Sieg Trumps bejubelt hat. Oder aber, als ich heute auf ein verstörendes Video einer  "Alt Right"- Versammlung in Washington D.C. stiess.

Ich mag aber auch die ganzen Vergleiche in die andere Richtung nicht. Dass DJ Trump im Wahlkampf mit rassistischer Hetze nicht zurückhielt steht ausser Frage, dass er nun nach und nach - um es sanft auszudrücken - zweifelhaftes Personal in seinen Mitarbeiterstab beruft, bekräftigt den Rechtsruck und das ungute Gefühl. Und doch ist ein Vergleich mit dem Dritten Reich nicht legitim. Und wird es hoffentlich auch in Zukunft nie sein.

Aber wenn ich jetzt sage, dass ich heute unbändige Lust verspürte, Tucholsky zu lesen, ja noch mehr, dass ich Tucholsky lesen wollte, gerade eben weil ich verstörende Nachrichten aus den Staaten vorgesetzt bekam - ist das auch ein Nazivergleich?

"Die menschliche Dummheit ist international." So hielt es Kurt Tucholsky vor 85 Jahren fest. Recht hat er. Aber es kommt ja auch nicht auf Verstand oder Unverstand an, denn gerade im Zeitalter des aufstrebenden Populismus sind Emotionen wesentlicher als Fakten. Oder, um es wieder mit Tucholsky zu sagen: "Das Volk versteht das meiste falsch, aber es fühlt das meiste richtig."

Man kann die kommende Präsidentschaft Trumps auch lässig entspannt erwarten und sich auf ein abwechslungsreiches Programm freuen. Dass er seine zentralen Wahlversprechen (die paar wenigen, die er konkret formuliert hatte) nicht einhalten wird, hat sich schon früh abgezeichnet und war ohnehin klar.

Nein, es wird keine Mauer zu Mexiko gebaut, für die Mexiko folglich auch nicht zahlen muss.

Nein, er wird den Sumpf in Washington nicht trockenlegen, dazu hat er schon zum heutigen Zeitpunkt zu viele Kröten berufen, für die es nie genug sumpfig sein kann.

Nein, er wird Hillary Clinton nicht hinter Gitter bringen. Heute kam das endgültige Dementi, nachdem er schon in seiner Siegesrede nach der Wahlnacht mit einem ausdrücklichen Lob an Frau Clinton sich von der Sache distanziert hatte.

Nein, er wird auch nichts tun, was dem berühmten kleinen Mann existenziell hilft. Die Schere zwischen Arm und Reich wird weiter aufgehen.

Und nein, er wird auch nicht Obamacare rückgängig machen. Ebenfalls ein Wahlversprechen, von dem er sich kurz nach dem Sieg vorsichtig zu distanzieren begann.

Die Ära Trump ist doch eigentlich der Wunschtraum eines jeden Kabarettisten und Late Night Talker. Schon jetzt sind die Witze, die man über ihn macht, Legion. Und das einzige, was dem Spass ein Ende bereiten könnte, ist ein kommender Weltkrieg. Oder Genozid.

Aber ich möchte doch noch einmal Tucholsky bemühen: "Amüsement ist fein. Aber muss es denn grade Stumpfsinn sein?"



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