Der Valentinstag ist ein wichtiger Tag in Estland – nicht nur
wegen der Tradition an und für sich, die hier weit umfassender gelebt wird als
anderswo auf der Welt. Denn hier denken nicht nur Verliebte an einander,
sondern jeder im persönlichen Umfeld hat Teil an diesem „Tag der Freundschaft“.
Denn Freund ist an diesem Tag jeder, der irgendwo im Umfeld anzutreffen ist.
Fast wie bei Facebook. Man beschenkt Arbeitskollegen, Nachbarn oder einfach
auch Leute auf der Strasse mit Kleinigkeiten und natürlich haben auch in
Estland die Floristen Hochbetrieb. Nicht selten sind Politiker unterwegs, wie
beispielsweise der junge Premierminister Jüri Ratas, der offenbar einen Tallinner
Vorortszug bestiegen und an die Fahrgäste Süssigkeiten verteilt hat.
Und vielleicht hängt es ja mit dieser Tradition zusammen,
dass der 14. Februar auch zum Stichtag für die Einreichung der Steuererklärung
gemacht wurde. Denn nach diesem Datum sind die (Online-) Schalter der
Steuerämter geöffnet, und die Deklarationen können ausgefüllt werden.
Ich kann mir vorstellen, dass manch einer hier
verständnislos die Stirn runzelt. Man verbindet den Valentinstag gemeinhin mit
etwas schönem, gar romantischem, die Steuererklärung aber mit dem genauen
Gegenteil. Das Ausfüllen der Deklaration ist für viele eine Last, die man so
lange wie möglich vor sich her schiebt.
Nicht so in Estland.
Wie die estnische Regierung heute twitterte, haben gestern bereits
240’000 Einwohner ihre Deklaration online abgegeben. Das sind 18% der
Bevölkerung, die ihr Einkommen in 3 Minuten oder weniger deklariert haben.
Es ist wirklich simpel: Man loggt sich mit seiner
Identitätskarte im Finanzamt ein. Dort findet man ein vorgefertigtes Formular,
in das schon alle während des letzten Jahres bezogenen Löhne und die jeweiligen Sozialabgaben sowohl die
vom Lohn abgezogenen Einkommenssteuern eingetragen sind. Man kontrolliert kurz
die Vollständigkeit der Angaben, gibt, falls nicht automatisch erstellt, die
Daten der im eigenen Haushalt wohnenden Kinder ein, überprüft, ob alles
ordnungsgemäss ausgefüllt ist und schliesst das Dokument, indem man es
elektronisch unterschreibt. Fertig.
Es war für mich eine herbe Überraschung, als ich wegen eines
Nachlasses in der Schweiz vor ein paar Jahren Post eines eidgenössischen Steueramtes
erhalten habe. Erst da wurde mir so richtig bewusst, was für ein Segen das
hiesige System ist.
Falls sich jemand fragt, warum die Esten die erste
Gelegenheit wahrnehmen, um die Erklärung auszufüllen, warum es manche gibt, die
den 14. Februar fast nicht erwarten können: Weil man oftmals Geld vom Staat
zurückerhält. Das gilt beispielsweise für alle, die unterhaltspflichtige Kinder
haben, aber etwa auch für viele, die während des Jahres ungleichmässig
gearbeitet haben oder die einen Kredit für Wohneigentum abzahlen. Die monatlich
direkt vom Lohn abgezogenen
Einkommenssteuern werden erst im Folgejahr, eben ab
dem 14. Februar, mit möglichen Abzügen verrechnet. Und je schneller man die
Deklaration eingereicht hat, desto schneller kann man mit der Rückzahlung des
Finanzamtes rechnen.